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Nachts zwischen stürzenden Bäumen

ÖM Nacht 2020
ÖM Nacht 2020

An Dramatik kaum zu überbieten war die Österreichische Meisterschaft im Nacht-Orientierungslauf am Samstag, 3. Oktober 2020 in Neusiedl bei Güssing. Dabei hatte alles ganz unspektakulär begonnen.

„Das angenehme Wetter den ganzen Tag über täuschte über das, was zwar angekündigt war, wir aber nicht wahrhaben wollten, hinweg“, bringt es Wettkampfleiter Gerald Mayrhofer auf den Punkt.

Ab 18 Uhr konnte man dann schon ahnen, was sich da anbahnte. Eine heranrückende schwarze Wolkenfront, grelle Blitze und dumpfes Donnergrollen sorgten für eine gespenstische Stimmung. Die Unwetterberichte angereister Sportler beruhigten die engagierten Teammitglieder des ASK Deutsch Kaltenbrunn nicht nachhaltig.

Sie hatten erst vor zwei Wochen begonnen, einen ursprünglich als Landesbewerb geplanten Wettkampf auf nationale Rahmenbedingungen „umzurüsten“. Zwei örtlich voneinander getrennte Starts wurden aufgebaut, um die Teilnehmer/innen der drei OL-Veranstaltungen (Jugend, Senioren und Allgemeine Klasse) zügig in den Wald zu bringen.

Das Sturmtief ist da!

Pünktlich zum ersten Start um 19 Uhr begann es zu regnen, zunächst noch ganz sacht.

„Aber die Stärke von Regen und Wind nahmen im Minutentakt  zu und bewirkten, dass uns ab 19:15 buchstäblich alles um die Ohren flog!“, berichtet Gerald Mayrhofer.

Unmittelbar neben Start 1 krachte ein Baum nieder, Kinder kamen weinend zum Start zurück, der Wettkampf wurde unterbrochen.

Strom gab es ab jetzt zwei Stunden lang nirgends im Ort, einzig Stirnlampen und Blitze erhellten die Nacht. In trügerischer Weise beruhigte sich das Wetter wieder, was die Verantwortlichen veranlasste, den Wettkampf fortzusetzen und noch einige weitere Läufer/innen ins Gelände starten zu lassen.

Alle mussten ab nun den Startposten stempeln. Rasch nahm aber die Intensität des Gewitters wieder zu, weshalb man sich schweren Herzens und in Absprache mit der Jury entschloss, den Wettkampf endgültig abzubrechen.

Stromausfall im Wettkampfzentrum

„Im Wettkampfzentrum warteten wir nun bei Kerzenlicht auf die zurückkehrenden Läuferinnen und Läufer“, schildert Gerald Mayrhofer den weiteren Verlauf. Immerhin waren trotz widrigster Bedingungen 85 Teilnehmer/innen gestartet.

Im Wald kämpfte man kurzfristig sogar mit herunterprasselndem Hagel. Der Himmel hatte die ganz große Schleuse geöffnet, und das Wasser strömte unablässig herab, was die Sicht zumindest so stark beeinträchtigte, wie der zähe Nebel bei der ÖM Nacht 2019 am Sonnberg in Oberösterreich.

Jeder grelle Blitz tauchte die Szenerie sekundenlang in ein helles Licht, so dass man kurzfristig die weiträumigere Orientierung zurückgewinnen konnte.

Krachen flößte Respekt ein

Ins Donnergrollen mischte sich immer wieder das beunruhigende Krachen umfallender Bäume. In der Finsternis war nicht auszunehmen, wo genau die Waldriesen niedergingen.

Mutige Helden

Nacht-OLs gelten bei jungen Läufern und Läuferinnen schon ganz prinzipiell als Mutprobe, noch viel größer war das Abenteuer, das sich im Gewittersturm im Südburgenland bot.

Die große Heldenmedaille für Mumm und Tapferkeit im finsteren Wald gebührt den Jungs Niklas Ochenbauer und Maximilian Wagner, die zu zweit in der Kategorie Herren bis 14 ins Rennen gestartet waren und nicht aufgaben! Nach 41:03 kamen sie triefend nass, aber stolz und mit allen Posten am Chip aus dem Wald zurück.

Auslesen am Tag danach

„Leider mussten wir den vierzig Orientierungsläufern/-läuferinnen, die den Lauf völlig durchnässt ins Ziel brachten, zu ihrer Enttäuschung mitteilen, dass wir wegen des Stromausfalls nicht einmal ihre Chips auslesen konnten“, sagt Gerald Mayrhofer.

Am Sonntag konnte man das dann aber an einer eigens dafür eingerichteten Station bei der Sprintmeisterschaft in Graz nachholen. Es gibt daher zumindest ein provisorisches Ergebnis, es dient aber nur der Information.

Die Sportlerinnen und Sportler verhielten sich in dieser besonderen Situation überwiegend  vorbildlich, vor allem was ihre Zurückmeldung bei der Wettkampfleitung anbelangt. Denn größer angelegte Suchaktionen wären wohl nur unter Feuerwehreinsatz möglich gewesen.

Die mit dem Auto befahrbaren Wege waren allesamt, auch am Sonntag noch, durch umgefallene Bäume unpassierbar.

„Rückforderung von Startgeldern hat es bis jetzt nicht gegeben, wir hoffen, es bleibt so“, dankt Gerald Mayrhofer für die Solidarität der OL-Community mit dem südburgenländischen Verein.

Am wichtigsten ist, dass niemand verletzt aus dem Wald zurückkam.

Abbruch ist selten

Soweit bekannt, handelt es sich bei der ÖM Nacht 2020 um den ersten nationalen OL-Wettkampf, der bei laufendem Rennen abgebrochen werden musste. Selbst OL-„Urgestein“ Eugen Kainrath, der in Neusiedl bei Güssing als TD tätig war, konnte über keinen ähnlich gelagerten Fall berichten.

Was übrigens nur beweist, dass Orientierungsläufer/innen bei tatsächlich fast allen Bedingungen bereit sind, ihrem Sport nachzugehen.

Nur unter ganz extremen Verhältnissen ist ein Abbruch unumgänglich. Und das war am Samstag, 3. Oktober 2020 unbestritten der Fall.

Foto: Haus mit umgestürztem Baum direkt am Weg zu Start 2, © Christian Schulter

Wer möchte, kann seine GPS-Aufzeichnung des Laufes in den RouteGadget einspielen.

von Gerald Mayrhofer und Elisabeth Kirchmeir in OL OL Leistungssport

5. Oktober 2020

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