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16. Dezember

16. Dezember
16. Dezember

Was verbirgt sich heute im ÖFOL Adventkalender?

Ein Trainings-Tipp vom OL-Doc!

Es geht – Trommelwirbel! – um den ERSTEN Posten!

OL-Doc Dr. Michael Wendler ist seit 1971 aktiv beim OL dabei und immer noch so begeistert wie zu Beginn.

Und jetzt wenden wir uns seinen wertvollen Tipps in Sachen „Erster Posten“ zu!

Maxloner Wald
Beispiel: AC Maxlonerwald (tatsächlich gelaufene Routen)

Merke Dir:
DER ERSTE POSTEN IST FAST NIE FÜR DEN SIEG ENTSCHEIDEND*, ABER OFT FÜR DIE NIEDERLAGE !!!
* am ehesten bei Staffel oder Jagdstart (aber dafür gibt es ganz spezielle Konzepte)

Der erste Posten ist taktisch ganz verschieden anzugehen, je nach individuellen technischen und konditionellen Fähigkeiten und auch je nach Umfeldbedingungen und Stressfaktoren im Startbereich.
Die Strecke zum ersten Posten beinhaltet viele Informationen, die einem vor dem Start noch verborgen sind, das heißt, vollste Konzentration ist nötig:

  • Charakter des Waldes
  • Bodenbeschaffenheit
  • Wetterfaktoren
  • Kartendarstellung
  • Postensichtbarkeit

Zusätzlich die taktischen Aufgaben:

  • Routenwahl
  • Tempowahl

Und dann noch die Standardinfos:

  • Postennummer
  • Ablaufrichtung zum zweiten Posten etc.

Tempo, Risiko und Vorausplanung kann man dann von Posten zu Posten steigern.

Psychologischer Aspekt: Außer beim Jagdstart oder bei der Staffel bringt es nichts, einen Läufer vor mir sofort einzuholen. Wenn der Lauf stimmt, kommt der der Moment schon noch.

Beispiel 1 (Mitte rot, direkt):
Profis können den ersten Posten so direkt angehen, wie auch andere Posten im weiteren Verlauf des Wettkampfes. Hier direkt mit Kompass (Orientierungs-Komponente = OK 1) in genauer Falllinie (OK 2) bis zur Auffanglinie Bach (OK 3) unter Mitlesen der zwei Objekte und des Dickichts links (OK 4). Das Hellgrün gegenüber könnte die Sicht auf den Posten einschränken, daher auf das Gelände achten (OK 5) – oberhalb der kleinen Steilkante.

Kommentar: Eine solche Taktik ist noch eher möglich, wenn man den Gelände- und Waldtyp kennt (Training in Nachbarwäldern) oder wenn man die Gelegenheit einer Aufwärmkarte vor dem Start nutzen kann. Also die Startvorbereitung sollte so intensiv sein, dass ich mich schon wie bei Posten 2 oder 3 fühle. Aber das ist volles Risiko und ein Reservekonzept muss im Hinterkopf sein.

Beispiel 2 (Süd hellblau, mehr Sicherheit):

Dies wäre die kürzeste Variante mit Leitlinien, Checkpoints und Ablaufpunkten: Rechts hinunterfallen lassen auf den breiten Weg (OK 1, sichere Auffanglinie). Da ist kein Kompass nötig. Egal, wo man auf den Weg trifft, man kann Gas geben (Taktik grün). Futterkrippe, Zauneck und Rechtskurve (OK 2) bedeuten Tempo drosseln (umstellen auf Taktik gelb). Die Linkskurve beim Dickichtrand rechts ist dann der dem Posten nächste Attackpoint (OK 3). Dann ähnlich wie Variante 1 (OK 5).

Kommentar: Diese Variante bedeutet eine rasche Folge von sicheren Anhaltspunkten, allerdings auch eine hohe Konzentration. Das Hinunterfallen zum Weg gibt einem kurze Zeit zum mentalen Anlauf, um die Punkte abzuarbeiten. Entscheidend ist da aber die sofortige Routenplanung im Moment der Aufnahme der Laufkarte.

Eventuelle Taktik: Erstelle ein Konzept für den ersten Posten anhand von Bahnen bei anderen Läufen. Finde ich rasch eine Route mit mehreren Sicherheitskomponenten? Übrigens eine gute Übung fürs Lehnstuhltraining.

Beispiel 3 (orange, Nord): großer Umweg, aber halbe Distanz auf Leitlinie (OK 1) schnelles Wegelaufen. Allerdings nach der Kurve um den Graben (OK 2) ungenauer Ablaufpunkt. Ab hier Höhe halten (OK3). Links die Geländeformen mitchecken (OK 4), das Loch müsste man auch sehen. Die Auffanglinie hellgrünes Dickicht ist zu schwach.

Kommentar: Höhenlinie eventuell mit Kompass mitchecken, da das Gelände schon zum Sattel hin sehr flach und die Höhe schwer zu halten sind (OK 5).

Beispiel 4 (blau, Nord):

Sicherheitsroute, Leitlinie bis zum Ablaufpunkt (OK 1), Distanz bis zur Kurve (leicht fallend) ist ungefähr gleich wie die Distanz zum Ablaufpunkt (OK 2) leicht steigend. Ablaufpunkt am Ende des Dickichts rechts, eventuell der Weg rechts sichtbar (OK 3). Von hier weg mit Kompass (OK 4), hier auch Schrittmaß wissen, um nicht zu tief zu gelangen (OK 5).

Kommentar: Dies ist auch eine hervorragende Startvariante bei einem Nacht-OL. Natürlich ist dies die längste Variante, aber der erste Posten kann entscheidend für den ganzen Lauf sein und gewonnene Sicherheit bedeuten, sodass man allmählich das Tempo steigern kann.

DER PROFI-TIPP: Heute werden oft alte Karten von Wettkämpfen mit der Ausschreibung veröffentlicht. Anhand der Angaben des Wettkampfzentrums und der Distanz zum Start lässt sich oft schon vermuten, wo sich der Start befindet. Diese Info kann ich in der Vorbereitung zu Hause bei Holloway-Mapjogs nützen, mögliche erste Posten auswählen und die Routen dorthin visualisieren. Ist der Start dann tatsächlich dort in der Nähe, laufe ich schon von Beginn an in einem vertrauten Wald.

Und zum Schluss noch ein Hinweis:
Der OL-Doc betreibt eine Lehr- und Trainingspraxis für Allgemeinmedizin und Mentoring-Praxis – mehr darüber auf www.lehrpraxis.net

in Verbandsmitteilungen

16. Dezember 2022