Forum: Das ist kein vom ÖFOL betriebenes Kommunikationsforum. Die Inhalte müssen sich nicht mit der Meinung des ÖFOL Vorstandes decken

≡



Ein „heißer Tipp“ für den Bücher-Gabentisch

Michael Wendler, ehemaliger Teamarzt des ÖFOL, hat einen „heißen Tipp“ für den Bücher-Gabentisch:

Helga Kromp-Kolb, FÜR PESSIMISMUS IST ES ZU SPÄT

Hier seine Rezension:

Am Anfang Wissenschaftlerin, dann Beraterin und Aktivistin, und schließlich zuletzt Philosophin. Und dazwischen Nationaltrainerin der österreichischen Orientierungslauf- Mannschaft. Ein langer und beeindruckender Weg, der aktiv weiterführt.
Helga Kromp-Kolb hat in ihrem neuesten Buch ein persönliches Manifest zum derzeitigen Stand des Klimawandels verfasst, das allen zu denken geben sollte. Und die, die den Aufschrei der Jungen, sei es in Großdemonstrationen oder durch lästigen Aktivismus, nicht mehr hören können oder wollen, sei gesagt, in diesem präzisen Buch kann man von berufener Seite all das nochmals überlegt und von langjähriger Erfahrung erklärt bekommen und durch so manchen Blick hinter die Kulissen politischen Unvermögens neu einordnen.

Am Anfang steht ein Rückblick über die Entwicklungen, Verhandlungen, Forschungsfortschritte und Verschleierungstaktiken, die zum heutigen Zustand unseres Weltklimas geführt haben.
Dann werden fachlich genau all die Szenarien dargestellt, die Wissenschaftler für die kommenden Jahrzehnte erarbeitet haben. Mit klaren erwiesenen Fakten aber auch mit Hinweis auf noch bestehende Unsicherheiten. Zahlreiche Kipp-Punkte kommen auf uns zu, nach denen es eine Umkehr in diesen Bereichen nicht mehr geben wird. Und das auch schon bei einer globalen Erwärmung von „nur“ 1,5 Grad.
Ein breit gestreuter Hinweis auf ernsthafte weitere Literatur untermalt diesen Abschnitt. Durch diese bedrohlichen Passagen muss man sich durchackern, um zum Schluss die Kapitel mit den möglichen positiven Gegen-Szenarien zu erreichen, die den Titel des Buches eigentlich erklären. Pessimismus lähmt und verhindert persönliche Kreativität und Mut zu (derzeit noch) unkonventionellem Verhalten.
Mein persönlicher Zugang ist ein besonderer: Als Verbandsarzt und Trainer habe ich in den 80er- und 90ern bei vielen Trainingslagern und Fahrten zu Wettkämpfen mit Helga interessante Gespräche führen können, in denen ich aus erster Quelle über bodennahes Ozon, Ozonloch, Einfluss von Wetter auf gefährliche Immissionen und bereits die ersten Fakten zur Klimaerwärmung erfahren durfte. Ein echter Weckruf, sich allmählich anders zu verhalten, als uns der von unseren Eltern erwirtschafteter Wohlstand nahegelegt hat. Die zunehmende Beschleunigung vieler damals schon angedeuteter Prozesse sind jedoch besorgniserregend. Für alle?
Es ist nur zu hoffen, das Helga nicht noch ein Buch schreiben werden muss, in dem sie (wie Christopher Clark in „Die Schlafwandler“ über die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts im Jahr 1914) nach wenigen Jahren rückblickend beschreibt, dass wir auf einen falschen Klima-Weg abgebogen wurden.
Abschließend noch ein Zitat, das im Buch ganz am Anfang schon hervorgehoben ist und vielleicht auch symbolisiert, warum manche von uns OL betreiben oder vom OL fürs Leben positive Energie erhalten haben:

„Manchmal kommt mir unser ganzes Leben wie ein Orientierungslauf vor: Manche Zwischenziele erreicht man mühelos und schnell, bei anderen will man schier verzweifeln, bis man innehält, sich neu orientiert und dann mit neuem Mut weiterläuft, denn ins Ziel muss man – aufzugeben ist keine Option.“

Könnte das der Grund sein, dass wir in unserer OL-Familie so wenigen Pessimisten begegnen? Und bedeutet OL auch psychologisch ein Resilienztraining?

Michael Wendler, ehem. Teamarzt des ÖFOL

von Michael Wendler in Alle News

5. Dezember 2023